Neben Bayern ist Sachsen das einzige Bundesland, das noch keinen gesetzlichen Anspruch auf Bildungsfreistellung hat. Gemeinsam mit mehr als 70 weiteren Organisationen unterstützen wir als ARBEIT UND LEBEN Sachsen wir den Volksantrag zur Einführung von 5 Tagen Bildungszeit.
Am 26.08.2025 fand im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Klimaschutz des Sächsischen Landtags eine Anhörung zum Volksantrag „5 Tage Bildungszeit in Sachsen“ statt. ARBEIT UND LEBEN Sachsen-Geschäftsführer Miro Jennerjahn nahm als Sachverständiger an der Anhörung teil:
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Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
ich danke für die Einladung. Ich spreche als Geschäftsführer von ARBEIT UND LEBEN Sachsen. Seit fast 35 Jahren sind wir in der Bildungsarbeit tätig mit unterschiedlichsten Zielgruppen. Eine wesentliche Gruppe sind Beschäftigte in Sachsen.
Als Bildungsträger haben wir sehr gerne und aus voller Überzeugung den Volksantrag unterstützt. 14 Bundesländer haben eine entsprechende gesetzliche Grundlage, lediglich Bayern und Sachsen haben diese nicht.
Seit 1974 gibt es das ILO-Übereinkommen 140 zur Einführung von Bildungsfreistellung. Das ist eine rechtlich bindende Verpflichtung, die in Sachsen bislang nicht umgesetzt wurde. In Sachsen wird Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern also seit 35 Jahren ein wichtiges Recht vorenthalten.
Über die Notwendigkeit lebenslangen Lernens sind wir uns vermutlich alle einig. Diese Notwendigkeit hat es immer gegeben, sie hat aber noch einmal an Dramatik gewonnen. Wir erleben – neben anderen weitreichenden Umbrüchen – mit dem Aufkommen und der unumkehrbaren Verbreitung von KI-Systemen einen sehr tiefgreifenden technologischen Wandel, der auf sämtliche Bereiche Einfluss hat. Im individuellen Bereich, aber auch im gesellschaftlichen Bereich mit weitreichenden Herausforderungen für die Demokratie und selbstverständlich verändert es die Arbeitswelt, mitsamt der Veränderung von Geschäftsfeldern, Tätigkeitsprofilen und -anforderungen.
Damit umzugehen, damit Schritt zu halten ist für Betriebe wie Beschäftigte existentiell. Weiterbildung darf deshalb nicht vom Zufall oder allein vom Wohlwollen des Arbeitgebers abhängen, sondern braucht einen verlässlichen, klar geregelten Rechtsanspruch auf Bildungsfreistellung und zwar mit einem möglichst umfassenden Bildungsbegriff, der nicht nur berufliche Weiterbildung adressiert, sondern auch politische Bildung, allgemeine Weiterbildung und ehrenamtsbezogene Bildung.
Auch stehen wir im Wettbewerb um Fachkräfte. Arbeitnehmer*innen schauen sich heutzutage sehr viel genauer an, in welches Umfeld sie kommen. Bei vergleichbaren Arbeitsbedingungen kann das Fehlen eines Bildungsfreistellungsgesetzes ein echter Wettbewerbsnachteil sein.
Nach wie vor ist die Weiterbildungsdichte in Sachsen deutlich geringer als im Bundesdurchschnitt. CDU und SPD haben im Koalitionsvertrag richtigerweise das Ziel formuliert, eine Angleichung an den Bundesdurchschnitt zu erreichen. Ein Bildungsfreistellungsgesetz kann hier ein wichtiger Baustein sein, dieses Ziel zu erreichen.
Zum vorliegenden Gesetzentwurf und dem Änderungsantrag von CDU und SPD: auch wenn ich das Bekenntnis von CDU und SPD im Koalitionsvertrag begrüße und der Änderungsantrag ja im Grunde die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages aufgreift, stellen die vorgeschlagenen Änderungen einen deutlichen Rückschritt gegenüber dem Volksantrag dar.
Das fängt bei der aus meiner Sicht nicht zielführenden Begrifflichkeit „Qualifizierungszeit“ an. Diese bildet bei dem – auch im bundesweiten Vergleich – eher mutlosen Anspruch auf lediglich drei Tage Freistellung nicht umfänglich ab, was für Bildungsangebote im Rahmen der Bildungsfreistellung in Anspruch genommen werden.
Die vollständige Ausklammerung der allgemeinen Weiterbildung erscheint mir ebenfalls nicht zielführend, darunter fallen unter anderem auch Sprachkurse und Kurse zur Gesundheitsprävention.
Der deutliche Bürokratieaufwuchs für Unternehmen, der mit dem Änderungsantrag verbunden ist, ist schon zur Sprache gekommen.
Auch die Ausschlusskriterien in §6 Absatz 2, führen m.E. nicht zu mehr Klarheit. Hier wäre ohnehin zu überlegen, ob solche Erwägungen im Gesetzestext Niederschlag finden müssen, oder ob dies nicht besser in der ohnehin vorgesehenen Rechtsverordnung Platz finden kann. Vorbild können hier Weiterbildungsgesetz und dazugehörige Weiterbildungsförderungsverordnung sein.
Die in §6a vorgesehene Erstattung des Freistellungsentgelts für Kleinunternehmen hingegen stellt eine echte Verbesserung gegenüber dem Gesetzesentwurf des Volksantrages dar. Eine solche Kleinunternehmensregelung wird in anderen Bundesländern bereits erfolgreich praktiziert und trägt den besonderen Herausforderungen von Kleinunternehmen bei der Freistellung von Angestellten Rechnung.
Einem häufig geäußerten Vorwurf, er findet sich auch in der Stellungnahme von Herrn Uwe Nostitz für den Sächsischen Handwerkstag wieder, möchte ich deutlich entgegentreten. Die Behauptung, Bildungsfreistellung werde vor allem als zusätzlicher Freizeitanspruch gesehen, ist mit Blick auf das verfügbare Bildungsmonitoring nicht haltbar.
Die Evaluation des Bildungszeitgesetzes in Baden-Württemberg etwa zeigt, dass die Inanspruchnahme überwiegend für berufliche Weiterbildung genutzt wird. Ähnliches gilt für Hessen, Niedersachsen und andere Bundesländer. Ob Weiterbildungen zu IT/EDV, Digitalisierung, Fremdsprachen, Kommunikation/Rhetorik, Führung, Arbeitsschutz und Gesundheit, die Liste der in Anspruch genommenen Themen, die einen direkten Arbeitsbezug haben, ist lang.
Unter dem Strich bleibt ein durch den Volksantrag vorgelegter sehr ausgewogener Gesetzentwurf, der nicht einseitig zu Lasten der Unternehmen geht, sondern – im Gegenteil – die die besonderen Herausforderungen der vergleichsweise kleinteiligen sächsischen Unternehmensstruktur Rechnung trägt.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
..."
