Katja Löwe berichtet von Ihrer Tätigkeit als Mentorin. Sie hat sich hierzu innerhalb des Projektes MENTO so qualifizieren lassen, dass sie Menschen, die große Schwierigkeiten mit der Schriftsprache haben, auf Augenhöhe ansprechen und Ihnen bei Bewältigung dieser Probleme auch helfen kann. Eine Methode hierbei ist die Einfache Sprache. Sie ist im Bereich der Jugendberufshilfe tätig und hilft unter anderem auch jungen Menschen, die große Probleme mit beim Lesen und Schreiben haben.

Der hier geschilderte Beratungsprozess fand vor dem neuen seit 14. Dezember 2020 geltenden coronabedingten Lockdown statt.

Tarik M. (Name geändert) steht erwartungsvoll vor der Tür der Beratungsstelle und lächelt erleichtert als ich ihm aufmache.  „Endlich kann ich wieder zu Ihnen kommen. Ich habe Post. Ich verstehe das nicht, ich brauche deine Hilfe.“ Er schimpft über die Corona-Situation und dass er nicht persönlich zu Behörden gehen konnte. Ein Jahr hat er gearbeitet, dann kam Kurzarbeit, dann Arbeitslosigkeit. Auf die Frage, ob er denn angerufen hat, lächelt er peinlich berührt. Er könne nicht so gut telefonieren. Ein paar Mal hat er probiert, dann aufgegeben. E-Mail schreiben kann er auch nicht. Er weiß nicht, wo er eine Adresse findet. Zuhause hat er keinen Computer und auf dem Handy gerade kein Internet. Auch Probleme mit dem Telefonanbieter. Er legt die Briefe auf den Tisch. Einige sind noch zu.

In der Beratungsstelle ist Tarik schon einige Zeit bekannt. Er kommt in den „Kompass“, weil er hier ein offenes Ohr findet und Erklärungen bekommt. Schritt für Schritt gehen wir die Briefe durch. Ich erkläre komplizierte Wörter und lange Sätze in einfacher Sprache. Dann male ich ihm etwas auf und zeichne mit Symbolen Prozesse nach. Gern fotografiert sich Tarik das Ergebnis einfach ab. Dann hat er es immer auf dem Handy dabei. Eigentlich wollte er heute nach einem Job im Internet suchen, aber mit den Briefen ist schon eine Stunde rum.

Digitalisierung, Online-Bewerberportale, verschiedene Login- oder Ident-Verfahren, Online-Banking, solche Themen stehen für Tarik ganz am Ende einer langen Liste beim Thema Grundbildung. Nach einer weiteren Stunde hat er mit Unterstützung die wichtigsten Felder in einem Antrag ausgefüllt, wiederholt, wie man einen Brief richtig beschriftet und das erste Mal einen Locher benutzt. Tarik lächelt immer noch und freut sich, dass es einen Schritt weitergeht.  

www.bs-kompass.de, K. Löwe

Hintergrund:

Mit unseren Praxiseinblicken arbeitsplatzorientierte Grundbildung möchten wir anschaulich darstellen, wie niedrigschwellige Grundbildungsangebote zielgruppengerecht umgesetzt werden können und wie sie wirken.

Der hier geschilderte Beratungsprozess wurde im Rahmen des Projektes MENTO umgesetzt.

Im Rahmen des Projektes MENTO wurden in Sachsen bislang 66 Mentorinnen und Mentoren ausgebildet.

Praxiseinblick #1: Grundbildung in der Großküche
Praxiseinblick #2: Von der Druckschrift zur Schreibschrift

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