Herr G. arbeitet als Bauhelfer in einer kleineren Baufirma.Er kann auf jahrelange Erfahrungen in seiner Tätigkeit zurückblicken. Sein Problem ist nicht die praktische Arbeit. Herr G. möchte das Lesen (wieder) erlernen und suchte dabei Unterstützung.

Er ist einer von vielen Erwachsenen in Deutschland, die kaum oder nur unzureichend in ihrer Muttersprache lesen und schreiben können. Oft verhindert das Schamgefühl, dass sich die Betroffenen Hilfe suchen. Oder aber sie finden keine passenden Angebote. Im Laufe der Zeit werden  Strategien entwickelt, um die unzureichende Lese- und Schreibkompetenz zu kompensieren und so die Anforderungen des beruflichen und privaten Alltags besser bewältigen zu können.

Wenn jedoch der Vorsatz gefasst wird, diese Situation ändern zu wollen, ist eine Begleitung beim Wiedereinstieg zum Lernen, der Vermittlung von Lernstrategien sowie der Festigung der Lernmotivation wichtig und in der Form eines Einzelcoachings sehr gut umsetzbar. Die Einsicht, dass die Arbeit an der Verbesserung der Lese- und Schreibkompetenz ein langer Prozess sein wird und auch der kleinste Schritt ein Lernerfolg ist, ist für den Teilnehmer entlastend. Und Fehler gehören zum Lernen nun einmal dazu.   

Zu Beginn des Einzelcoachings konnte Herr G. die einzelnen Buchstaben benennen, ihre Verschriftlichung erfolgte jedoch vorwiegend durch das „Abmalen“ der Form der Buchstaben.

So wurde mit der Arbeit an der Buchstabensicherheit, der Zuordnung von Laut - Buchstabe und dem Ablauf des Schreibens der Buchstaben in der Druckschrift begonnnen. Die nun folgenden Silben-, Lese- und Schreibübungen erfolgten, so dies möglich war, anhand von Wortmaterial aus dem beruflichen und lebensweltlichen Umfeld des Teilnehmers.

Gleichzeitig wurde an dem Einüben eines Sichtwortschatzes häufig vorkommender Wörter gearbeitet. Herr G. hat Strategien vermittelt bekommen, um sich Wörter und Wortlisten auch eigenständig erschließen zu können. Er wurde darin bestärkt, seine neu erworbenen Kenntnisse auch im Alltag anzuwenden: beim Einkaufen, beim Fahren mit Bus und Bahn, den Baustellennachweis zu führen, den Materialverbrauch aufzuschreiben - um nur einige Beispiele zu nennen.

Da inzwischen aufgrund der Coronaverordnung überall die notwendig gewordenen Kontaktformulare in den unterschiedlichsten Formen auslagen, äußerte Herr G. den Wunsch, das Ausfüllen üben zu wollen – und zwar in Schreibschrift.

So wurden nun das Schreiben der Buchstaben und wichtiger Buchstabenverbindungen in der Schreibschrift in die Übungen eingebunden. Zunehmend konnte er sich auch an einmal Gelerntes erinnern und seine Schulkenntnisse zum Gebrauch der Schreibschrift reaktivieren. Während der letzten Termine des Coachings wurde konsequent die Schreibschrift angewandt.

Im Einzelcoaching wurde Herr G. hinsichtlich der aktiven Umsetzung des Wunsches, seine Lese- und Schreibkompetenzen zu verbessern, gestärkt. Auch nach Beendigung des Coachings wird er damit fortfahren.

Hintergrund:

Mit unseren Praxiseinblicken arbeitsplatzorientierte Grundbildung möchten wir anschaulich darstellen, wie niedrigschwellige Grundbildungsangebote zielgruppengerecht umgesetzt werden können und wie sie wirken.

Das hier geschilderte Einzelcoaching wurde von ARBEIT UND LEBEN Sachsen im Rahmen des Projektes BasisKomPlus umgesetzt.

Praxiseinblick #1: Grundbildung in der Großküche
Praxiseinblick #2: Von der Druckschrift zur Schreibschrift
Praxiseinblick #3: Grundbildungsmentoring in der Jugendberufshilfe
Praxiseinblick #4: Grundbildung in der Altenpflege

Förderhinweis

Dieses Vorhaben wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Förderkennzeichen W I4I 600 gefördert.